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Die Gleichheit
der Geschlechter und das Wohlfahrtssystem
von Brigitta Kuster
Der Text von Nancy Fraser, den ich versuchen möchte
nachzubeschreiben, heisst Die Gleichheit der Geschlechter
und das Wohlfahrtssystem: Ein postindustrielles
Gedankenexperiment". Es geht hier also um ein
Gedankenexperiment, um eine utopische Zukunftsvision von
wohlfahrtsstaatlichen Ideen - einerseits bezüglich der
Gleichheit der Geschlechter, andererseits bezüglich
einer, sich gegenwärtig offenbar verändernder oder
veränderter Struktur in Ökonomie, Arbeitsmarkt und
Familie.
Ich denke, ich kann es hier nicht leisten, den Text
tatsächlich im Zusammenhang mit Diskussionen über
den Wohlfahrtsstaat in der Schweiz zu lesen. Daher wollte
ich einige aktuellere Pressebeispiele dazu assozieren, auf
die wir vielleicht in der Diskussion zurückkommen
können.
Gegenwärtig sind vermehrt Diskussionen im Gange, die
sich jenseits von der Finanzierungsdiskussion abspielen und
eher auf eine Strukturkritik absetzen. Dabei geht es vor
allem um das sogenannte Garantierte Mindesteinkommen (GME).
Dieses wird wohl nicht unbedingt vor dem Hintergrund der
Geschlechtergleichheit in die Diskussion gebracht, sondern
eher aufgrund der Tatsache der Existenz von immer mehr
sogenannten "working poors", d.h. Personen, die zwar
vollzeit arbeiten, aber dennoch zu wenig verdienen. Mit den
niedrigen Löhnen sinken auch die Ansprüche auf
Sozialversicherung, wodurch diese Personengruppe
offensichtlich zu wenig geschützt ist, denn ein Recht
auf Existenzsicherung existiert nicht. Beim Garantierten
Mindesteinkommen handelt es sich also um die Idee einer
sozialen Grundsicherung, die unabhängig oder zumindest
nicht nur an die Erwerbsarbeit gebunden ist, wobei in
einigen GME- Modellen von den EmpfängerInnen jedoch
Sozialleistung oder Arbeit abverlangt wird.
Voraussetzungen des
Textes
Der Text geht aus von einer Krise des "industriellen
Wohlfahrtsstaates". Diese wird festgemacht und
zurückgeführt auf eben diese gegenwärtigen
Strukturveränderungen wie Globalisierung;
Zusammenbruchs des Staatssozialismus, der zum grossen Teil
die neuen Märkte erst erschlossen hat; massive
Migrationsbewegungen im Grossen und im Kleineren eine
Schwächung von Gewerkschaften und Arbeiterparteien,
Steuerfeindlichkeit der Bevölkerungen; Aufschwung von
nationalen und rassistischen Antagonismen; Niedergang von
sogenannt solidarischen Ideologien.
Ein Aspekt, von dem Fraser behauptet, dass er wesentlich an
der Krise des alten Wohlfahrtsstaates beteiligt ist - der
Zerfall der alten Geschlechterordnung - wird im Text genauer
untersucht.
Das Familieneinkommen, das der Struktur der meisten
Wohlfahrtsstaaten zugrunde lag, ist durch die
Veränderung der Geschlechterordnung nicht mehr gegeben.
Das heisst, die Normativität, von dem die bestehenden
Wohlfahrtssysteme ausgehen und davon Ausdruck sind, kann
nicht mehr als gegeben gelten. Es gibt also nicht nur eine
Veränderung in der wirtschaftlichen Produktion, sondern
auch in der sozialen Reproduktion. Ausserdem erhöhen
die entstehenden Arbeitsmärkte die Bedeutung von
Absicherung und Schutz.
Diskussion: im Vergleich setzen mit Artikel Maria Mies. in:
Krise welche Krise. Inwiefern sind die Ansätze
verkoppelbar. Inwiefern fehlt dem Ausfsatz von Fraser eine
umfassendere Kapitalismus-Kritik und inwiefern übt sie
keine Kritik an der nationalistischen
Wohlfahrtssattsidee.
Interessant ist dabei zu überlegen, inwiefern die
Einschätzung der Ausgangslage dieses Textes
tatsächlich aufgeht. Wenn von einer Krise durch die
Globalisierung die Rede ist, so wird hier angespielt auf
eine Struktur, die weit über den national organisierten
Wohlfahrtsstaat hinausgeht. Maria Mies beispielsweise geht
von einer erstmal nur in globalen Strukturen sich
manifestierenden Krise aus, welche die nödlichen
Industrieländer nun esrtmals mit den sogenannten
Drittweltisierungsphänomenen konfrontiere.
Kolonialisierung sei dem Kapitalistischen System immanent.
(S.72 / 72) Von daher leitet sie aus ihrer
Kapitalismuskritik eine ganz andere Strategie ab:
"Eines der grössten Probleme dieser Wirtschaftsweise
ist das Dilemma, dass diejenigen, die entsprechend dem
Gesetz der fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation
ausgebeutet, hausfrauisiert, marginalisiert und pauperisiert
werden, eben keine potenten Käufer für diese Waren
sind, die global produziert werden. (...) Während der
zweiten Periode der Globalisierung konnten die Armen sich
noch an der Illusion wärmen, dass ihr Staat sich in
Richtung Schwedens, Deutschlands oder anderer
Wophlfahrtsstaaten entwickeln würde. Diese Illusion ist
nach den SAP's, kombiniert mit GATT, TRIPs und den neuen
Wirtschaftsblöcken endgültig vorbei. Eines der
Probleme der Umstrukturierung der weltwirtschaft ist die
Tatsache, dass diejenigen, die für niedrige Löhne
in den Billiglohnländern produzieren sollen, nicht
gleichzeitig die Käuferschaft für diese Produkte
sein können. Vor allem Frauen sind von dieser
Entwicklung betroffen. wenn sie überleben wollen,
müssen sie neue / alte Wege der Subsistenz finden
Für das Kapital sind sie überflüssig, sowohl
als ProduzentInnen als auch als KonsumentInnen." (S.80
/81)
Fraser versucht im weiteren einen Wohlfahrtssatt zu
skizzieren, der "den radikal neuen Bedingungen von Arbeit
und Reproduktion entspricht".
Geschlechtergleichheit
Ein "postindustrieller Wohlfahrtssaat" müsste eine neue
Geschlechterordnung fördern und auf der Gleichheit der
Geschlechter basieren, dies sei die einzig akzeptable
Perspektive, so Fraser.
"Feministinnen wissen um die Unzulänglichkeit der
Definitionen von Arbeit, die auf den Mann zugeschnitten
sind."
(...) "Wir haben noch keine befriedigende Vorstellung von
der Geschlechtergleichheit entwickelt, die einer
emanzipatorischen Vision zugrunde liegen könnte. Ein
solches Nachdenken müssen wir jetzt in Angriff nehmen.
Wir sollten fragen: Welche neue postindustrielle
Geschlechterordnung sollte das Familieneinkommen ersetzen?
Und welche Art von Wohlfahrtsstaat kann eine solche neue
Geschlechterordnung am besten fördern? Und welche
Vorstellung von Geschlechtergleichheit enspricht am besten
unseren wichtigsten Bestrebungen? Und welches
Wohlfahrtssystem drückt am besten die umfassende
Bedeutung der Geschlechtergleichheit aus?"
Die Frage stellt sich nun dahingehend, einen
Kriterienkatalog für die Gleichheit der Geschlechter zu
entwickeln, Normativitätsprinzipien, nach denen die
Geschlechtergleichheit im Wohlfahrtsstaat bewertet und
bemessen werden kann.
Hier verweist Fraser auf den Streit in den Vorstellungen um
Geschlechtergleichheit zwischen Differenz und Gleichheit.
Eine solche Streitausgangslage führe wohl in eine
Sackgasse. Die diesbezüglichen Argumente sind denn auch
hinlänglich bekannt: der Vorwurf, dass
Gleichheits-Strategien das Männliche als Norm
voraussetzten, akzeptierten und damit Frauen benachteiligten
und der Vorwurf, dass Differenz-Ansätze weibliche
Essentialismen generierten und dadurch
Geschlechterstereotypen verstärkten und
reproduzierten.
Fraser fasst die Gleichheit der Geschlechter jenseits dieser
Dichotomie als komplexe Idee auf; das heisst, nicht das Ziel
zu haben, einen einzigen Wertmasstab darauf anwenden zu
können (also eben Differenz oder Gleichheit). Sie
schlägt mehrere, verschiedene normative Prinzipien vor,
die entweder von der Gleichheits-oder von der
Differenz-Seite her kommen oder sich auf keine der bisher
formulierten normativen Argumente beziehen. Wichtig sei
dabei, betont Fraser, dass allen normativen Aspekten
gleichermassen entsprochen wird.
Der Katalog zur Bewertung der Gleichheit der Geschlechter im
Wohlfahrtsstaat umfasst sieben normative Prinzipien und wird
im folgenden auf diese zwei postindustriellen
wohlfahrtsstaatlichen Modelle angewandt, die Fraser als
gegenwärtigen politischen Praxen immanente Vision
interpretiert.
Das Modell der
allgemeinen Erwerbsarbeit
Der erste Entwurf -
Modell der allge mei nen Erwerbsarbeit genannt - folgt nach
Fraser der gegenwärtigen politischen Stossrichtung und
Praxis von US-Feministinnen und US-Liberalen. Gleichheit der
Geschlechter wird dadurch ge fördert, dass die
Berufstätigkeit der Frauen gefördert wird. Frauen
nehmen selber den Status des Verdieners (also des
Familienoberhauptes) ein; der arbeitende Bürger
wür de allgemein.
Um die Voraussetzungen für die Verwirklichung dieses
Modell zu schaffen, sind verschiedene Veränderungen
nötig:
Einrichtungen müssten bereitgestellt werden, die Frauen
von ihren unbezahlten häuslichen Tätigkeiten so
entlasten, dass es überhaupt erst möglich wird,
eine Vollzeitarbeitsstelle anzunehmen. Nötig
würden ebenso Umgestaltungen von Arbeitsplätzen in
der Art, dass sie der Chancengleichheit nicht
entgegenstehen. Damit solche Mass nahmen durchsetzbar, bzw.
anwendbar werden, erfordert es kulturelle und soziale Wand
lung en, die sich auf die Dekonstruktuion von
Geschlechterstereotypen und die ge schlechtsspezifischen
Sozialisationen beziehen.
( Dies wird bei Wetterer genauer beschrieben.)
Ausserdem wäre dies alles nicht möglich, ohne, wie
Fraser es benennt, makroökono mische Massnahmen zur
Schaffung von mindestens existenzsichernden (und das
für mehr als eine Person), dauerhaften
Vollzeitarbeitsplätzen, an die sich dann die An
sprü che auf Sozialversicherungen anschliessen. (vrgl
Diskussion im vergleich zum Ansatz vonMaria Mies)
Die Betreuungsarbeit würde in diesem Modell
vollständig entweder auf den Markt (also auf die
Firmen) oder den Staat übertragen, wobei die staatliche
Lösung wohl die bes sere wäre, da sich damit das
Interesse von Firmen, nur kinderlose Angestellte zu be
schäftigen, besser umgehen liesse. Die Angestellten
für Betreuungsarbeit ( an Orten, wo solche
Institutionen bereits bestehen, arbeiten meist Frauen oder
Angehörige rassi scher Minderheiten), müssten den
Normalverdienern gleichgestellt sein, d.h. es be dürfte
einer Statuserhöhung von Pflege- und
Betreuungsberufen.
"Das Modell der allgemeinen Erwerbstätigkeit ist also
einer Politik des ’vergleichbaren Wertes' verpflichtet; es
muss die weitverbreitete Unterbewertung der Fähigkeiten
und Ar beitsplätze beseitigen, die heute als weiblich
und/oder ’nicht-weiss' gelten, und es muss solche
Arbeitsplätze mit einer lebensunterhaltssichernden
Bezahlung ausstatten."
Fraser analysiert, inwieweit sich dieses Modell vom
industriellen Wohlfahrtsstaat unterscheidet:
Sozialversicherungen wären hier evt. in weit
höherem Masse noch als bis her vom Arbeitseinkommen
abhängig und würden sich nach dessen Höhe
bemes sen. Der Unterschied jedoch bestünde darin, dass
weit mehr Frauen aufgrund ihres eige nen Arbeitseinkommens
versichert wären und dass die Ar beitsleistungen von
Frauen sich denjenigen von Männern stärker
anglichen.
In einem anderen Aufsatz "Die Frauen, die Wohlfahrt und die
Politik der Bedürfnisinterpretation" analysiert Fraser
die strukturellen und ideologischen Probleme, die der
Wohlfahrtsstaat einer feministischen Perspektive stellt.
Dikursive oder ideologische Probleme nennt Fraser in diesem
Zusammenhang verschwiegene Normen oder implizite Annahmen,
die für die wohlfahrtsstaatliche Praxis konstitutiv
sind; d.h. sozialstaatliche Programme werden unter dem
Aspekt von institutionalisierten Interpretationsmustern
betrachtet und deruntergelegte Geschlechtertext analysiert.
Das Sozialversicherungssystem wird als duales beschrieben,
das einerseits auf den primären Arbeitsmarkt bezogen
ist und andererseits auf Familie und Haushalt und zudem
diese Bereiche geschlechtsspezifisch zuordnet.
Sozialversicherungen contra Fürsorge oder Sozialhilfe +
Sonderleistungen wie: Mietzuschüsse,
Mutterschaftsbeihilfe, Krankenkassenprämien etc. (auf
Kantons- und oder Gemeindebene); hat sich aus der Armnhilfe
des 19. Jh. entwickelt.
" Wir können den Separatismus und die Ungleichheit, die
das zweistufige, geschlechtsspezifische, rassisch und
kulturell voreingenommene System sozialer Sicherung in den
USA charakterisieren, zusammenfassend so bestimmen:
Diejenigen, die am "maskulinen" Subsystem partizipieren,
werden als Rechte innehabende Nutzniesser und
kaufkräftige Verbraucher von Dienstleistungen
eingestuft, also als besitzende Individuen. Diejenigen, die
am "femininen" Subsystem partizipieren, werden hingegen als
abhängige Klienten oder als Negativbilder besitzender
Individuen eingestuft."
Ich habe hier ein nicht dirket vergleichbares Beispiel von
einer Pensionskasse, die die Bedürfnisse aber
ähnlich geschlechtsspezifisch einschätzt. Wo
für die Frau wichtig scheint , dass ihre
Bedürfnisse als persönliche eingeschätzt
werden, auf heikle Situationen und sehr persönliche
Lebenssituationen ausgerichtet sind, ist es für den
Mann wichtig, dass sich die Pensionskasse für seine
Interessen und Anforderungen einsetzt, d.h. für ihn ist
es wichtig, dass die Pensionskasse speziell auf seine
Berufsbranche ausgerichtet ist. Für ihn wiederum
zählt auch mehr, dass sein gespartes Vermögen
ausschliesslich und allein ihm gehört, dass er einen
Rechtsanspruch darauf geltend machen kann, jederzeit und mit
Sicherheit, wo ihr wichtig ist, dass die Abwicklung
unkompliziert vor sich geht, damit sie ihre Zeit für
anderes nutzen kann. Ausserdem soll ihr die Pensionskasse
als die natürlichste Sache der Welt erscheinen.
Was aber geschieht
mit denjenigen, die keine Arbeit haben (können)?
(gesundheitliche Gründe, finden keine Arbeit,
Betreuungsarbeiten, die man nicht abgegeben kann oder will )
Um diese Menschen zu versorgen braucht es wiederum
Sozialleistungen, die nicht an die Erwerbsarbeit gebunden
sind und die einen bedarfsdeckenden Lohnersatz
darstellen.
Fraser meint, dass das Modell der allgemeinen Erwerbsarbeit
den aktuellen postindustriellen Tendenzen zuwiderläuft,
da eher nicht Arbeitsplätze geschaffen werden, die eine
Familie ernähren könnten, sondern eher
Arbeitsplätze für ’Wegwerfarbeiter' entstehen.
(vrgl. Cash-Artikel)
1. Bekämpfung der Armut:
allg.:Wichtigstes Ziel des
Wohlfahrtsstaates ist es eigentlich, Armut zu verhindern.
Angesichts der heute weitverbreiteten Armut bei
alleinstehenden Müttern, muss Bekämpfung von Armut
im heutigen Wohlfahrtssystem neu überdenkt werden.
Armenhilfe, die beispielsweise alleinlebende Mütter
stigmatisiert und isoliert, erfüllt nicht die folgenden
normativen Kriterien: gut
2. Bekämpfung der Ausbeutung:
allg.: Verhinderung der Ausbeutung von Schutzlosen. Zum
Beispiel durch Vorgesetzte, Zuhälter, Ehemänner.
Alternative Einkommensquellen sollten möglichst zur
Verfügung stehen, um die Voraussetzungen für die
Position des Unterlegenen in ungleichen Beziehungen zu
verbessern. Sozialpolitische Massnahmen müssten die
staatliche Hilfe zu einem Rechtsanpruch machen, um eine
mögliche Stigmatisierung von
HilfeleistungsempfängrInnen zu verhindern und
Leistungen nicht von einer Ermessensfrage abhängig zu
machen.
Lebensunterhaltssichernde Arbeitsplätze für Frauen
oder zumindest die Aussicht darauf, würden verhindern,
dass Frauen in unbefriedigenden Abhängigkeits- und
Ausbeutungsverhältnissen verbleiben: gut
Gleichheitsprinzipien:
3. gleiche Einkommen:
allg.: Auschliessen von Regelungen, die
geschlechtsspezifische Benachteiligungen des Einkommens
für Frauen nach sich ziehen: Scheidungspraxis,
ungleicher Lohn für gleiche Arbeit, Unterbewertung der
Fähigkeiten und der Arbeit von Frauen.
Die Aussicht auf mehr feste und existenzsichernde
Arbeitsplätze für Frauen könnte zwar das
Einkommensgefälle verringern, nicht aber aber das
Gefälle zwischen nicht Erwerbstätigen (was vor
allem Frauen sein werden) und Erwerbstätigen:
ausreichend
4. Gleiche Freizeit:
allg.: Viele Frauen, aber nur wenige Männer leisten
heute sowohl Erwerbsarbeit als auch unbezahlte
Betreuungsarbeit. Es soll ausgeschlossen werden, dass eine
relative Einkommensgleichheit von Frauenmit deren Zeit-Armut
bezahlt wird.
Hier meint Fraser, dass es unrealistisch ist, mit der
Veröffentlichung von sämtlichen Betreuungs- und
Pflegearbeiten rechnen zu können, wie beispielsweise
das Gebären von Kindern oder elterliche Aufgaben.
Anderes, wie beispielsweise Kochen oder Einkaufen etc.
liesse sich nur dann verallgemeinern, wenn entweder ein
hohes Mass an Kommerzialisierung oder kollektive
Lebensformen eingeführt würden. Ausserdem
führt Fraser an, dass Arbeiten, die abgegeben werden,
wiederum Koordinationsarbeiten nach sich ziehen. Sie sieht
somit die gleiche Freizeit in diesem Modell in
Abhängigkeit davon, ob die Männer dazugebracht
werden können, ihren Anteil an diesen Aufgaben quasi
freiwillig zu übernehmen. Dazu sind sie aber in dem
Modell der allgemeinen Erwerbsarbeit nicht attraktiv genug
gemacht, so dass wahrscheinlich ein diesbezügliches
Interesse durch das System selber nicht gefördert
würde, sondern im Gegenteil, das System durch die
Verallgemeinerung der Erwerbsarbeit alle anderen
Arbeitsformen stark abwertet: mangelhaft
5. Gleiche Achtung:
allg.: Statusgleichheit, Respektgleichheit; Anerkennung der
Persönlichkeit (kulturelle Stigmatisierung) und der
Arbeit von Frauen.
Fraser fügt hier an, dass sie es als unwahrscheinlich
erachtet, dass Frauen in diesem System den gleichen Status
über Erwerbsarbeit erreichen wie Männer, da sie
dem Reproduktionsbereich stärker verpflichtet sein
werden und somit als verhinderte Verdienerinnen erscheinen
werden. Da in diesem System die Achtung an den Erfolg in der
Erwerbsarbeit geknüpft ist, verspricht das System nur
mässigen Erfolg . Ausserdem wird an die grundlegende
soziale Trennungslinie zwischen Nichterwerbstätigen und
und Erwerbstätige auch ein Achtungsgefälle
gebunden sein: SozialhilfeempfängerInnen können
leicht stigmatisiert werden: ausreichend
"Jedes Modell, das um Erwerbstätigkeit zentriert ist,
und sei es auch feministisch ausgerichtet, hat grosse
Mühe einen ehrenhaften Status für diejenigen zu
konstruieren, die es als ’Nicht- Arbeitenden'
definiert."
6. Bekämpfung der Marginalisierung:
allg.: Die bisherigen Punkte könnten zwar
gewährleisten, dass Frauen unabhängig, gut
versorgt, geachtet aber dennoch auf eine häusliche
Sphäre verwiesen sind, die vom Leben der übrigen
Gesellschaft abgeschnitten ist. Eine volle,
gleichberechtigte Teilnahme an allen Bereichen des
gesellschaftlichen Lebens sollte von der Sozialpolitik
angestrebt werden: Arbeitsleben, Politik, Gemeinschaftsleben
der Zivilgesellschaft
Die Bekämpfung von Marginalisierung erfolgt nur auf der
Ebene von Erwerbsarbeit. Was beispielsweise nicht mitbedacht
oder durch die anzustrebende Norm der Vollzeitarbeit sogar
verhindert werden kann, ist die Teilnahme am politischen und
gesellschaftlichen Leben, dies umso mehr, denke ich, als die
gleiche Freizeit ebenfalls nur mässigen Erfolg
verspricht: ausreichend
7. Bekämpfung des Androzentrismus:
allg.: Die derzeitigen Lebensmuster von Männern sollten
nicht weiterhin als Norm gelten.
Die traditionell männliche Sphäre wird sehr hoch
bewertet. Die Leistung des Systems besteht einzig darin, den
Frauen den Zugang dazu zu erleichtern: mangelhaft
"Der idealtypische Bürger ist hier der Normalverdiener,
der jetzt formell geschlechtsneutral ist. Aber inhatlich ist
dieser Status männlich geprägt; es ist die
männliche Hälfte des alten
Ernährer-/Hausfrau-Paares, die jetzt generalisiert und
von jedem gefordert wird. Die weibliche Hälfte des
Paares ist einfach verschwunden. Von ihren spezifischen
Vorzügen und Fähigkeiten ist nichts für die
Frauen bewahrt, geschweige denn auf die Männer
ausdgedehnt worden. Das Modell ist
männerzentriert."
Diskussion:
Inwieweit ist diese Modell Zielrichtung / und oder
pragamatischer Bezugspunkt von wetterers Analyse? Inwieweit
ist die Analyse Wetterers implizit einem solchen Szenario
verpflichtet, weil sie alles andere als vorläufig nicht
erstrebbares, nicht erreichbares Modell erachtet, indem sie
es in ihrer Analyse gar nicht erst als relevant
betrachtet?
Das Modell der Gleichstellung der Betreuungsarbeit ortet
Fraser als die zweite Vision für eine postindustrielle
Gesellschaft, die sie implizit in die politische Praxis von
Feministinnen und Sozialdemokraten in Westeuropa
eingeschrieben sieht. Hier ist das Ziel,
Geschlechtergleichheit dadurch zu fördern, dass die
informelle Betreuungsarbeit unterstützt und mit der
formellen Erwerbsarbeit gleichgestellt wird, dass Frauen mit
umfangreichen häuslichen Verpflichtungen evt.
zuzüglich einer Teilzeitarbeit, sich selbst und ihre
Familie ernähren können. Dieses Modell setzt auf
eine ’kostenfreie Differenz', das heisst, gängige
weibliche Lebensmuster wie Teilzeitarbeit plus
Teilzeitarbeit in der Familie oder Ganztagesarbeit in
lebenszeilticher Abwechslung mit ganztägiger
Familienarbeit soll nicht mit Kosten verbunden sein.
(M.M.)
Voraussetzungen dafür:
eine Ausweitung von Unterstützungszahlungen, die
für den Unterhalt einer Familie ausreichend sind.
Bezogen auf den Arbeitsmarkt, wäre die Schaffung von
Teilzeitarbeitsstellen nötig. Wesentlich wäre eine
gesetzlich garantierte flexible Arbeitszeit, die auch ein
Wechsel zwischen Vollzeiterwerbstätigkeit und Teilzeit
ermöglicht. Flexibilität muss hier verbunden sein
mit der Kontinuität aller wichtiger
Versicherungsleistungen. Gesetzlich garantierter
Schwangerschafts- und Erziehungsurlaub, danach Umschulungen
und Stellenvermittlungen.
Betreuungsarbeit wird in diesem Modell weitgehend im
Haushalt belassen, jedoch mit öffentlichen Mitteln
unterstützt.
Ein angepasstes Versicherungssystem müsste Leistungen
für Betreuungsarbeit, Vollzeitarbeit und Teilzeitarbeit
gleichermassen regeln. Jemand, der seine Betreuungsarbeit
aufgibt, hätte dann den gleichen Anspruch auf
Arbeitslose wie jemand, der erwerbstätig war.
Wer noch immer aus diesem System ´rausfällt,
nämlich Personen, die weder Betreuungsarbeit leisten
noch erwerbstätig sind, werden, im Gegensatz zum Modell
der allgemeinen Erwerbstätigkeit nicht Frauen, sondern
mehrheitlich Männer sein. Hier, glaubt Fraser, dass die
Menge der EmpfängerInnen solcher Ersatzleistungen
alllerdings kleiner ausfallen würde als im Modell der
allgemeinen Erwerbsarbeit.
1. Bekämfung der Armut: Armut würde stark
verhindert werden können, v.a. bei Frauen und Kindern,
die heute am wenigsten geschützt sind. V.a. die Armut
von alleinstehenden Müttern könnte besser
bekämpft werden: gut
2. Bekämpfung der Ausbeutung: Die meisten Frauen
würden nicht in einer ausbeuterischen Abhängigkeit
bleiben. Als Ehehfrauen würden sie ein direktes
Einkommen erhalten, was die ökonomische
Abhängigkeit von Ehemännern verringerte.
Ausbeutung durch Arbeitgeber könnte ebenso stärker
verhindert werden, da alleinerziehende Frauen noch eine
andere Einkommensquelle hätten: gut
3. Gleiche Einkommen: Bei der Einkommensgleichheit ist das
Modell hingegen nicht besonders erfolsversprechend, da es
wahrscheinlich auf dem Arbeitsmarkt die Schaffung einer
’Mami.Schiene' zur Folge haben würde. Diese
bestünde dann aus flexiblen Teilzeit- oder
Vollzeitarbeitsplätzen, welche nicht dauerhaft und
schlecht bezahlt wären. Somit würde das System
für die Zwei-Partner-Familie eher den ökonomischen
Anreiz schaffen, dass ein Partner den Vollzeitarbeitsplatz
behält; d.h angesichts der heutigen
Arbeitsplatzbedingungen der Mann. Die
Beschäftigungsschienen auf dem Arbeitsmarkt werden also
weiterhin oder sogar noch verstärkt nach den
traditionellen Geschlechterstereotypen strukturiert sein.
Die Kosten der Differenz werden zwar verringert, nicht aber
beseitigt: mangelhaft
4. Gleiche Freizeit: Die sogenannte Doppelbelastung
könnte vermieden werden, jedoch wäre sie nicht
unbedingt kostenfrei, da Frauen ev. nicht auf eine
Vollzeitarbeit verzichten wollen: ausreichend
5. Gleiche Achtung: Theoretisch haben Erwerbstätige und
Betreuungsarbeitende den Status gleicher Würde.
Betreuungsarbeit würde zwar respektvoller behandelt als
gegenwärtig, bliebe aber mit dem weiblichen Teil der
Gesellschaft assoziert, wie Erwerbsarbeit weiterhin mit dem
männlichen Teil. Die traditionelle
geschlechterspezifische Arbeitsteilung würde hier also
weitergeführt und zwar mit der ökonomischen
Differenz der beiden Lebensstile: ausreichend
"Es ist generell schwer vorstellbar, wie ’getrennte, aber
gleiche' Geschlechterrollen heute dazu führen
könnten, dass Männer und Frauen die gleiche
Achtung geniessen."
6. Bekämpfung der Marginalisierung: Die
geschlechtsspezifische Arbeitsteilung würde
unterstützt. Duale Arbeitsmärkte würden
zementiert. Die Marginalisierung beträfe die Frauen
also in doppelter Weise. Ausserdem förderte das Modell
nicht die Beteiligung von Frauen am politischen oder
gesellschaftlichen Leben, indem es sie auf den
Betreuungsbereich fixiert: mangelhaft
7. Bekämpfung des Androzentrismus: Betreungsarbeit wird
hingegen nicht als Hindernis für Erwerbsarbeit
gehandelt, sondern erfährt einen Respekt und eine
Wertzuschreibung. Dadurch wird die menschliche Norm der
männlichen Tätigkeiten in Frage gestellt. Es lehnt
die Forderung ab, dass weibliche Lebensmuster sich an
männliche Muster anzupassen hätten. Die
Betreuungsarbeit erfährt aber keinen universellen Wert:
ausreichend
"Die Gleichstellung der Betreuungsarbeit erkennt nicht den
universellen Wert der Tätigkeiten und Lebensmuster an,
die mit Frauen assoziiert sind. Es bewertet die
Betreuungsarbeit nicht hoch genug, um sie auch von
Männern zu verlangen; es verlangt nicht, dass sich die
Männer verändern. So stellt dieses Modell den
Androzentrismus nicht generell in Frage."
Das Modell der
universellen Betreuungsarbeit
Beide bisher vorgestellten Modelle sind äusserst
ehrgeizige Modelle. Keines liesse sich ohne weitreichende
ökonomisch-politische Umstrukturierungen,
Steuerreformen, öffentliche Kontrolle über die
Unternehmen etc. verwirklichen. Frasers zeigt in einem
Vergleich der Modellbewertungen auf, dass keines der Modelle
die vollständige Gleichheit der Geschlechter
gewährleisten könnte. Beide schliessen gut ab in
der Verhinderung von Ausbeutung und Armut, bleiben jedoch
unbefriedigend, was die Gleichheit der Achtung anbelangt und
fördern nicht die gleichberechtigte Teilnahme am
politischen und gesellschaftlichen Leben. Keines der Modelle
verlangt von den Männern eine Veränderung.
Ein drittes Modell soll nun also die vorteilhaften Elemente
der beiden Modelle kombinieren und die schlechten
eliminieren.
"Beim dritten Modell ist der entscheidende Punkt, dass die
Männer dazugebracht werden sollen, in einem
stärkeren Masse so zu werden wie die Frauen heute sind.
Diese wichtige Veränderung würde bei beiden
Projekten Wunder wirken." (...) "Der Schlüssel zur
Verwirklichung der vollen Gleichheit der Geschlechter liegt
darin, die gegenwärtigen Lebensmuster von Frauen zum
Standard und zur Norm für alle zu machen."
Ein wesentliches Element zur Realisierung der
Geschlechtergleichheit im Wohlfahrtsstaat wäre die
Einebnung des Gegensatzes zwischen Erwerbsarbeit und
Betreuungsarbeit und das Unterlaufen der
diesbezüglichen Geschlechterkodierung. Die Kategorie
Geschlecht als strukturelles Prinzip sozialer Organisation
müsste dazu dekonstruiert werden.
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