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housing, Ausstellung, Diskussionen, Socializing

"housing" fand vom 31.10 - 12.11.96 in Köln statt.


"housing ist ein Ort und ein Zeitpunkt, zu dem wir eingeladen, um zusammen mit unseren Gästen Aspekte des aktuellen künstlerischen Selbstverständnisses, die gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen künstlerischer/kultureller Arbeit sowie das Verhältnis von Kunst und Öffentlichkeit, zu diskutieren." Köln, Oktober 1996

Der folgende schriftliche Erfahrungsbericht entstand anläßlich einer Veranstaltung zum Thema Selbstorganisation im künstlerischen/kulturellen Bereich, die im Januar 97 an der Kunstakademie München stattfand.
(Das im Vortrag verwendete Video- und Diamaterial ist noch nicht soweit aufbereitet, daß es hier zur Anschauung kommen kann. Bestimmte Themen, die wir bei "housing" diskutiert haben, sind im Vortrag - aus zeitlichen Gründen - teilweise nur sehr knapp beschrieben. Wir arbeiten zur Zeit an einer Dokumentation des Projekts, die der Vertiefung, Ausformulierung und Kommunikation unserer Gedanken dienen soll.)

Am Anfang

Am Anfang von "housing" stand die Idee, sich anläßlich unseres Studienabschlusses für ein Ausstellungsprojekt zusammenzutun. Nicht nur aus praktischen Gründen fanden wir es sinnvoll, den Versuch zu unternehmen, gemeinsam etwas zu entwickeln.
Im Gegensatz zu vielen unserer KollegInnen, die schon mit der Diplompräsentation im Keller verschwanden - wo sie dann mit Einsamkeitsgefühlen zu kämpfen hatten und der erhoffte Dialog über die eigene Arbeit häufig ausblieb - wollten wir schon in der Entwicklungsphase unserer Arbeiten einen Gedankenaustausch anzetteln.
Daß es für uns eine Selbstverständlichkeit war, oder aber auch eine Zwangsläufigkeit gab, sich zusammenzutun, hatte zum einem mit dem Gefühl von Freundschaft, das uns verband, zu tun und war zum anderen Resultat eines Unbehagens, das wir teilten.
Dieses Unbehaben bezog sich auf den nahenden Studienabschluß und die damit verbundenen Fragen, wie es dann weitergehen könnte - welches unsere Bezugspunkte sein würden, wenn der soziale Rahmen der Akademie, inklusive der komfortablen Arbeitsbedingungen, wegfallen würde.
Schon in unseren ersten Diskussionen hatte sich die Dringlichkeit gezeigt, sich in der Gruppe über Themen auszutauschen, die weit über den anfänglichen Anlaß einer gemeinsamen Ausstellung hinausgingen. Im Vordergrund der Arbeitsbesprechungen stand die Problematik, daß man sich weder mit seinen Arbeiten noch mit sich selbst im etablierten Kunstkontext zuhause fühlte. Das hatte vor allen mit der Enttäuschung darüber zu tun, daß sich oft an produzierte und veröffentlichte Arbeiten kein Diskurs anschloß, daß es generell kaum ein konstruktives Austauschverhältnis zwischen KünstlerInnen /ProduzentInnen und RezipientInnen gibt. Ein weiterer Punkt, der damit zusammenhängt und der ebenso Auslöser war, sich über Alternativen im Hinblick auf die Kommunikation und Distribution unserer künstlerischen Arbeiten und Themen Gedanken zu machen, lag in der Kritik an den Hierarchien/Herrschaftsformen, die die etablierten Institutionen an den Tag legen.
Uns schwebte für die Präsentation, Durchführung und Vermittlung unserer Arbeiten - und der unserer Freunde - ein Rahmen vor, in dem die verschiedenen Arbeiten in einen diskursiven Zusammenhang gestellt werden und in dem ein Dialog mit den KünstlerInnen über ihre Arbeiten möglich sein sollte, in dem aber auch für Bedürfnisse wie Essen, Trinken, Musik hören, Tanzen, Flirten, und Spielen gesorgt sein sollte.
Aus dieser Vorstellung entwickelte sich die Idee, eine "Wohngemeinschaft auf Zeit" zu gründen, der man quasi rund um die Uhr Besuche abstatten konnte. Mit dem WG- Konzept wollten wir weniger einen kollektiven Lebenszusammenhang propagieren, als eine Atmosphäre schaffen, die wir an renomierten Ausstellungsorten vermißten. - Und es interessierte uns auch, sich auf ein Experiment einzulassen, bei dem es darum ging, herauszufinden, was passiert und wie man sich dabei fühlt, wenn man die Grenze zwischen privatem und öffentlichem Raum auflöst (nicht zuletzt, um so die Grauzone, die Anonymität zwischen ProduzentIn und RezipientIn zu überbrücken).

Nach einigen Wochen Arbeit am Konzept und nach Gesprächen mit KollegInnen zeigte sich, daß bei vielen ein Diskussionsbedarf über die Themen, die wir angerissen hatten, bestand. Genau wie wir waren andere mit der Hinterfragung ihres Selbstverständnisses, des Funktionszusammenhangs von Kunst und Gesellschaft und einer Neupositionierung beschäftigt - und vielen fehlte der konstruktive Austausch mit Leuten aus den eigenen Reihen.
Zwei Diskussionspunkte, die immer wieder formuliert wurden, beschäftigen sich mit den Fragen, wie man auf der einen Seite eine Verbindung und Kooperation der eigenen Fähigkeiten und Potentiale mit denen anderer Bereiche wie zB. der Architektur, Stadtplanung, der Soziologie, erreichen könnte und wie man auf der anderen Seite eine kollektive Organisationsform schaffen könnte, um eine ökonomische Grundlage für die künstlerische Produktion, sowie deren Vermittlung und Vertrieb gewährleisten zu können.
Aus der Komplexität der Fragestellungen, die uns beschäftigten und aus der Notwendigkeit einer Standortbestimmung, erweiterte sich die Vorstellung von dem, was "housing" sein könnte: "housing" sollte sowohl ein Ort und ein Zeitpunkt für eine alternative Präsentation und Vermittlung künstlerischer Arbeiten sein, als auch ein Forum für die Analyse und Kommunikation der oben gennanten Themen - sowie ein Ort für das, was sonst zum Leben dazu gehört.

Arbeitsgruppe/Gruppendynamik

"Ob eine Gesellung von Individuen zu einem Miteinander, einem Nebeneinander oder Gegeneinander führt, hängt davon ab, wie sie mit der uralten Frage fertig wird: Wie erziele ich ein Höchstmaß an Selbstverwirklichung, ohne meine Mitmenschen dadurch in ihrem Anspruch auf Selbstverwirklichung einzuengen? " (Janos Frecot)

An dieser Stelle ist es uns wichtig, etwas über Gruppenbildungsprozesse und Gruppendynamik zu sagen, [etwas, das meistens offiziell und im Nachinein, zugunsten der idealisierten Sache nicht stattgefunden hat] die notwendigerweise ein solches Projekt begleiten und es fördern, aber auch bis zur Verhinderung lähmen können.
Wie viele vor uns waren wir ersteinmal begeistert von der Idee, gemeinsam etwas zu machen. Jeder von uns brachte einen unterschiedlichem Background, Erfahrungshorizont und Ansprüche mit - z.B was die Vorstellungen kollektiven Arbeitens betraf. Die unterschiedlichen Interessen und Intentionen reichten von der Lust am "anderen Ort" über den Wunsch nach einem Intensiven Austausch über die Arbeiten, bis hin zu Überlegungen, gemeinsame künstlerischen Arbeit zu realisieren.
Dem Anspruch eines kollektiven Arbeitens immanent erschien es uns wichtig und selbstverständlich andere Interessierte mit in unsere Projektgruppe zu integrieren.
Ausgehend von der Kerngruppe, die anfangs aus 5 Leuten bestand, (Ute Hörner, Judith Ruzicka, Gudrun Teich und Thomas Roppelt, Mathias Antlfinger) deren gemeinsamens Schicksal, wie schon gesagt, ersteinmal darin bestand, eine Diplomprüfung ablegen zu müssen, luden wir zu informellen Treffen KollegInnen aus unserem näheren Umfeld ein, von denen wir wußten, daß sie sich für eine Zusammenarbeit im Rahmen eines Projektes wie "housing", interessieren würden.
Das funktionierte anfangs sehr gut, weil sich im privaten Rahmen, bei einem guten Essen, alle enthusiastisch an den Diskussionen beteiligten. Vieles, was dort angedacht wurde, spiegelt sich letzlich auch im Programm von "housing" wieder.
Was allerdings von Anfang an ein Problem war, ist der Punkt, daß wir - die "InGroup", im Gegensatz zu den anderen, einen konkreten Anlaß und auch einen Termin hatten. So stellte sich für die anderen, die später dazu gekommen waren, automatisch die Frage, was ihre Anlässe waren, und ob sie nicht zwangsläufig in die Rolle von "Mitmachern" geraten - im Gegensatz zu uns als Initiatoren, die von Anfang an dabei waren.
Andererseits wurde aber von uns als InitiatorInnen gefordert, daß wir unsere Motive offen darlegten und auch rechtfertigen - was umgekehrt häufig nicht stattfand.
Aus einigen Bemerkungen unserer KollegInnen war auch der Frust über Erfahrungen mit bereits stattgefundenen, ähnlichen Projekten herauszuhören und bei manchen stellte sich das ungute Gefühl ein, daß sie lieber ein Projekt wie "housing" scheitern sähen - um recht zu behalten oder um nicht in Zugzwang zu geraten.
Ein sehr beliebter Einwurf unserer "Bedenkenträger" war: "Bevor du nicht alles weißt, kannst Du nichts machen" oder "ihr braucht doch nicht das zu diskutieren bzw nachzuexerzieren, was Generationen vor euch schon längst ausgehandelt haben."
Wir wollten uns aber weder durch die "Nachholarbeit" ausbremsen, noch durch eine dominanten - und oft negativ konnontierte - Vergangenheit entmutigen lassen. Außerdem wäre es dann nicht möglich gewesen, relativ kurzfristig ein Projekt auf die Beine zu stellen.
Zuletzt, unter dem Druck des herannahenden Termins entschieden wir uns, die Gruppe wieder zu begrenzen, d.h. zu viert die organisatorische Arbeit zu übernehmen und mit den Leuten zusammenzuarbeiten, die sich mit konkreten Vorschlägen einbrachten und deren Kritik konstruktiv war.


Finanzen - "take what you can get" oder "allein gegen alle"

Wir werden jetzt etwas darüber erzählen, wie wir "housing" finanziert haben, weil die Finanzierung für eine langfristige Arbeit essentiell ist. Für uns war klar, daß wir "housing" - als unser erstes gemeinsames Projekt - auch ohne finanzielle Unterstützung durch Kulturförderung oder Sponsoren durchzuführen würden, und diese Bereitschaft war auch notwendig, um uns selbst zu mobilisieren.
Aber gerade weil Ökonomie auch ein zentrales Thema unserer Auseinandersetzung während "housing" sein sollte, wollten wir nicht vorzeitig zur "freiwilligen Selbstbeschränkung" oder "Selbstderegulierung" schreiten.
(Daß das vorzeitig gewesen wäre, kann man sich ganz gut klar machen, wenn man beispielsweise die Veröffentlichungenen des Kulturkreises BDI (Bund der deutschen Industrie) liest, in denen der "Rohstoff Kultur" als Standortfaktor für Unternehmen eine enorme Rolle spielt, weil das gehobene Mangement sonst abzieht, bzw. Städte ohne Kulturelles Leben als unattraktiv empfindet).
Das andere ist, sich zu vergegenwärtigen, daß es einen großen Bereich von kultureller Arbeit gibt, in dem Leute, von dem was sie tun leben, und zwar reguliert. Was die Bildende Kunst angeht, sind das diejenigen, die in den vermittelnden Instituionen arbeiten. Die einzigen, die generell erstmal umsonst arbeiten, auf deren Arbeit aber der Betrieb basiert, sind die KünstlerInnen.
Wir fanden aber nicht, daß Selbstorganisation zwangsläufig etwas mit Selbstausbeutung zu tun haben muß, (das richtet sich nicht gegen freiwilliges Engagement für eine gute Sache, sondern gegen die gar nicht revolutionäre "ich bin bereit für Kunst zu sterben Haltung", auf die wir als KünstlerInnen in unserer Ausbildung bestens vorbereitet wurden). Aber abgesehen davon waren wir der Meinung, daß wir als InitatorInnen auch eine Verantwortung gegenüber den KünstlerInnen und ReferentInnen haben, die sich für unser Projekt engagieren wollten. Zumindest Fahrt und Materialkosten sollten von uns abgedeckt werden.
Deshalb haben wir uns intensiv um eine staatliche Förderung gekümmert und versucht dabei möglichst strategisch, im Umgang mit den Institutionen vorzugehen.
Über die Kunsthochschule für Medien Köln gab es z.B. Kontakte zum Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport, die wir nutzen konnten. Wir hatten also ein Treffen mit dem Rektor der Hochschule und den Professoren, die die Fächergruppen leiten. Dabei haben wir unser Projekt vorgestellt und um Unterstützung gebeten. Was uns trotzallem immer wieder schwer gefallen ist, war in solchen Situationen tatsächlich strategisch zu handeln, also sich darüber im klaren zu sein, daß es im Verhältnis zu den Institutionen nicht um inhaltliche Überzeugungsarbeit geht, sondern darum die Institutionen für die Durchsetzung der eigenen Interessen zu nutzen, was durchaus legitim ist und von den Vertretern der Institutionen vorbehaltlos anerkannt wird.

Schließlich haben wir eine Förderung in Höhe von 28000.- DM bekommen, was ersteinmal ganz gut klingt. Davon gingen dann 9000.- DM für eine Plakataktion des Ministeriums drauf (ein Plakat, das wir nicht brauchten, das wir aber auch nicht verhindern konnten), dann gingen nochmal 3000.- DM Eigenanteil davon ab, so daß wir am Ende 16000.- DM für die ganze Veranstaltung hatten - für Sachkosten, Miete, ReferentInnen- und KünstlerInnenhonare, Materialkosten sowie die Dokumenation des Projekts.

Einen Teil des Eigenanteils haben wir über die Party und die Gastronomie eingenommen. Fragwürdig bleibt aber, zum einen, warum die eigene Arbeitszeit nicht als Eigenanteil gewertet werden kann, und zum anderen, warum sie nicht finanziert werden kann, so wie man ja durchaus Honorare für andere berechnen kann. Denn trotz dieser Finanzierung, standen wir alle, nachdem wir fast drei Monate, also ab dem Moment an dem das Projekt in die heiße Phase ging, nicht arbeiten konnten, am Ende mit Schulden da.

Raumsuche

Sobald wir die Finanzierungszusage in der Hand hatten, gingen wir auf Raumsuche. Der Raum, den wir suchten, sollte möglichst zentral gelegen sein, heizbar, etwa 200qm groß sein und Toiletten haben.
Jenseits des Praktischen hat uns vor allem die Symbolfunktion beschäftigt, die die Wahl des Raumes für die eigene Positionierung innerhalb der Gesellschaft hat, bzw. dafür steht wo man sich situiert sieht.
Das war auch der Grund, warum wir uns nicht defensiv auf Orte zurückziehen wollten, die man sozusagen überlassen bekommt, also Objekte für die sich keiner mehr interessiert: Bunker, Abbruchhäuser oder weitabgelegene Straßenbahndepots. Unsere erste Idee war also, ein Penthouse zu mieten, sozusagen "On-The-Top", dahin wo das größte Begehren ist.
In Köln gibt es 1000de von Quadratmeter leerstehender Gewerberäume, auch gehobenster Ausstattung und in bester Lage. Aber selbst wenn man das Geld hat, nutzt das nicht viel, weil es einfach jede Menge Immobilienbesitzer gibt, die es sich ohne weiteres leisten können, Räume mit einem offiziellen Marktwert von 10.000,-DM im Monat, über Jahre hinweg leerstehen zu lassen.
Die Raumsuche wurde also trotz Finanzierung zur Odyssee, das Programm stand längst fest, die Leute waren eingeladen, die Einladungskarten mußten verschickt werden usw.
Zuletzt standen wir so unter Druck, daß wir jeden angequatscht haben. So haben wir auch den Bauleiter, der für den Umbau der ehemaligen 4711 Fabrik in Köln Ehrenfeld zuständig war, kennengelernt. Dieser hat uns nach kurzer Bedenkzeit einen Nutzungsvertrag für eine Halle von 500 qm gegeben. Ehrlich gesagt war es der schönste Raum, den wir auf der ganzen Suche gesehen haben, der Raum war wunderbar hell, hatte Fensterfronten auf beiden Seiten, und bot einen Blick über die Stadt.
Die Miete war mit 1500 DM, bedenkt man die Lage und den Zustand der Räume, eher dem Symbolischen zuzuordnen. Auch war der Nutzungsvertrag an keinerlei Bedingungen geknüpft - wie Nennung der Immobilienfirma, Logos auf unseren Einladungskarten usw.
Der Mann hat einfach eine persönliche Entscheidung getroffen, und das lag nicht zuletzt daran, daß er uns sympathisch fand und außerdem sagte er, daß er auch Kinder in unserem Alter hätte.

housing - Programm

Wir möchten jetzt etwas davon vermitteln, was wir bei "housing" gemacht haben, bzw. welche Projekte vorgestellt wurden, wer unserer Gäste waren, und welche Themen besprochen wurden.


31.10. 20 Uhr- Eröffnung

Wir sind noch mit den letzten Vorbereitungen zu Gange, als die ersten Gäste kommen. Mathias, Gudrun und Petr sind noch mit der Beleuchtung der Halle beschäftigt, Judith und Ute schmieren Brote in der Küche. Die DJ´s machen Soundcheck.
Das Publikum erscheint zahlreich, verteilt sich im Raum, um die unterschiedlichen Arbeiten zu beäugen - es bleibt uns kaum Zeit für die Betreuung und die Erklärung der eigenen Werke. Zwischen einer improvisierten Eröffnungsrede und Thekendienst wird einem Journalisten das Projekt erklärt. Die ersten Lampen brennen durch, die Installation von Annette und Ingo animiert viele, sich sportlich mit den AOK Gymnastik Bällen zu betätigen.
Die Cocktailbar kommt kaum mit der Produktion des Spezialcocktails hinterher. Bis ca. 4 Uhr wird gefeiert. Im Anschluß werden die Luftmatratzen aufgeblasen und wir begeben uns zu Bett.

Freitag, 1.11.

Kaum ist es hell, werden wir von dem Lärm der Bauarbeiten im Hof geweckt. Müde und verkatert räumen wir die Überreste vom Vortag auf. Am Abend ist Michaela Schweiger aus Berlin zu Gast. Sie entwickelt Gesellschaftsspiele. An diesem Abend ist zu einem speziellen Pokerspiel geladen, bei dem die Wertungen der Karten, anhand von Begriffen wie: Freundschaft, Macht, Liebe und Sex, permanent neu ausgehandelt werden. Anders als bei vorhergehenden Spielabenden in Berlin, überwiegt in Köln die Erotik das Geldes - es wird wirklich hart gespielt und manche verlieren beträchtliches Geld.
Gegen 5 Uhr morgens verlassen die letzten Gäste das Haus.

Samstag, 2.11.

Putzen und einkaufen, dazwischen immer wieder Leute, die die Ausstellung sehen wollen. Um 14.30 kommt Christine Bernhard aus Düsseldorf, um mit uns und den Gästen bei einem "Stadt-Land-Fluß-Spiel" das Abendessen auszuhandeln. Aus den am häufigsten genannten Gerichten wird eines ausgewählt, gemeinsam zubereitet und gegessen. Was keiner wußte: an diesem Samstag tritt das neue Ladenschlussgesetz in Kraft, das heißt: Die Geschäfte schließen bereits um 16 anstatt um 18 Uhr. Wir geraten in Panik. Nach dem Spiel ist noch eine Viertelstunde Zeit, um alles einzukaufen. Vier Leute schwärmen gleichzeitig aus, und wir bekommen alles was wir brauchen. Es gibt Kohlrouladen mit Nudeln und gelben Rüben, Krabben und Oliven, dazu Rotwein Cola und Bier.

Sonntag, 3.11. - Elterntag

Schon um 11.30 sind die "Vortagsreste" beseitigt und der süddeutsche Dialekt im Raum verrät: Utes Verwandschaft ist angekommen. Die Eltern aus dem Norden haben Stauverspätung. Die Küche hat sich an diesem Tag besonders ins Zeug gelegt, und "Mutters Kuchen" und Blumensträuße verschönern heute "housing". Eine Führung durch die Ausstellung macht unsere Eltern kunstempfänglicher. Das, was es dabei zu sehen gab, wollen wir euch auch nicht vorenthalten.

Exkurs: die Projekte

Gudrun Teich


Als erstes zeigen wir einen Ausschnitt aus der Videoinstallation von Gudrun, mit dem Titel "das Gespräch". Ausgangspunkt dieser Arbeit war ein Abendessen mit 5 Leuten vor laufenden Kameras. Die Inszenierung eines geselligen Miteinanders lieferte die Handlung, den Text und damit die Darsteller selbst. Der Gesprächsraum spielt mit dem Moment der szenischen Interaktion und bietet hier lediglich die Möglichkeit, die einzelnen Teilnehmer der Runde genau zu studieren. Auch wenn die sezierten Gesichtsrelikte durch die Fremdheit ihrer Erscheinung ein allzu schnelles Einordnen der Personen verhindert und das chaotische Ablaufen des Tons ein genaues Hinhören erfordert, um der einzelnen Person das Gesagte zuzuordnen, kann der Betrachter nicht mitreden. Vielmehr tritt das Mimenspiel der Einzelnen, in Dialog mit der eigenen Kontrollinstanz, welche die eigene Rolle überwacht.

Judith Ruzicka

Judith hat sich in den letzten Jahren in ihrer Arbeit mit dem Thema "Gedächtnis und Erinnerung" beschäftigt. Dabei ging es primär um die Fragestellung: Wie funktioniert Erinnerung ?. Ihre Diplomarbeit, die größtenteils wärend "housing" erarbeitet wurde, thematisiert Erinnerung als einen Dialog: in Zwiegesprächen, die sie mit insgesamt 35 Leuten führt, erinnern sich ihre Gäste an Personen aus ihrer Vergangenheit. Gemeinsam werden diese Erinnerungen in Zeichnungen übertragen und mit Texten kombiniert, die ihrer Gäste zu den jeweiligen Personen verfaßt haben.
Um den Enstehungsproßes der Zeichnungen transparent zu machen, wurden die Gespräche auf Audiotapes aufgezeichnet und konnten so von den Ausstellungsbesuchern über Walkmans abgehört werden.

Ute Hörner/ Mathias Antlfinger

"TheMonochromes, entweder/oder", von Ute und Mathias, ist ein interaktives Puppentheater über die essentiellen Fragen im Leben des Künstlers - über das "für wen und wozu mach ich meine Arbeit", über "Popularisierung oder Hebung des Niveaus", Vatermord, Karriereplanung, Generationskonflikt und vieles mehr.
Einer 55 Minuten Diskussion zwischen den vier Charakteren stehen 29 Geschichten aus der Welt gelebter Erfahrung gegenüber. Die Puppen reagieren auf diese Geschichten und versuchen, sie auf ihre Weise, in ihren Diskurs einzuschleifen.

Montag, 4.11

Ivar, ein begeisterter "housingbesucher", zeigt heute abend das Tape "Four more Years" der Videogruppe TVTV. Mit einer der ersten Portopaks ausgestattet, versucht die Künstlergruppe 1972 oppositionell auf gesellschaftliche Mißstände Einfluß zu nehmen. Sie stellen der konventionellen Berichterstattung der Fernsehsender eine subjektive, witzige und unerbittliche Weise des Kamerablicks entgegen. Etwa 35 Leute an einem Montag abend zu einer Videovorführung freut uns natürlich, auch wenn das Diskussionsende von Ivar etwas fix abgewürgt wird, gibt es an der Bar noch lange Gespräche zum Thema "Damals-Heute: Strategieentwicklung in den 90ern mit Handycam und Internet". Es ist spät, als wir unsere roten Luftmatratzen hinter dem Schrank hervorholen.

Dienstag, 5.11.

-haben wir einen freien Tag für Putzen, Einkaufen, Reperaturen und Vervollständigungen tausendfacher Art !

Mittwoch, 6.11.

Techniktransport und Telefonate zur Vorbereitung des langen Wochenendes. Am Abend stellen Annette und Ingo ihre Arbeiten vor. "#2 der Garten", ist seit Beginn von "housing" ein Teil der Ausstellung. Ausgehend vom Begriff "Corporate gardens" von Dan Graham ist für die Arbeit ein Standardvokabular entwickelt worden, welches erlaubt, den Garten als Teil eines Dienstleistungsangebots überall da zu installieren, wo er benötigt wird.
Ihr Diavortrag mit Bildern einer Japanreise handelt von der zunehmenden Gentrifizierung der Städte, von dem was sie "controlled atmosphere" nennen.
Am Ende des Vortrags richten sie etwas abruppt die Frage an "housing", wie wir dazu stünden, als KünstlInnen mit unserer Anwesenheit an diesem Ort in Ehrenfeld an der Aufwertung dieser Immobilie mitzuwirken. Die Diskussion darüber ist sehr kurz, führt aber weiter zu grundlegenden Fragen, wie der nach der Kompetenz künstlerischer Äußerungen im außerkünstlerischen Feld. Ein spannender Abend.

Donnerstag 7.11.

Am Anfang wieder das Übliche - Hausarbeit. - Dann die Freunde aus Prag vom Bahnhof abholen. Danach ein gemeinsames Frühstück, an dem auch Ausstellungsbesucher teilnehmen.
Zusammen mit Ute Reeh, die an diesem Abend ihre Projektvorstellung hat, wird der Raum vorbereitet. Hanne Loreck aus Berlin trifft ein. Um 19.00 sind etwa 20 Leute gekommen. Nicht unbedingt viele, aber vielleicht macht das gerade die gute Gesprächsatmosphäre dieses Abends aus. Ute stellt ihre Musterkollektion für Plakatwände, Sofabezüge, Krawatten, Unterwäsche und VideoProjektion vor, anschließend hält Hanne Loreck ihren Vortrag zum Thema "Ornament-Abstraktion", über die hohe und die niedere Kunst.

Freitag 8.11.

Diesen Tag deklarieren wir im Nachhinein als unseren Katastrophentag. Einkaufen für´s Essen, anschließend Aufbau der Präsentationsfläche, sowie einer improvisierten Fensterverdunklung mittels Pappen und den Luftmatratzen. Der Fernseher fällt auf den Boden und kann in letzer Sekunde noch geflickt werden. Mike Hentz meldet einen weiteren Vortrag für 18.00 an. Zwischendurch Telefonate und Besorgungen. Um 15.00 beginnen Pavel, Petr, Milena und Petr mit ihrer Präsentation. Es gibt einen Besucher und 3 "housingmitglieder". Trotz Sprachbarrieren ist es eine spannende Präsentation, das anschließende Essen gerät hektisch und die Gäste des Abends Treffen ein. Keine Zeit für vorbereitende Gespräche mit den ReferentInnen. Mike Hentz, der während seines Vortrags über "die Ethik der Medien im Jahr 2000", seine Stimmbänder fortwährend mit Wein befeuchtet. Dann die Diskussion zum Thema "künstlerisches Selbstverständnis". Die Gäste sind aufgebracht und Mike Hentz kommt immer mehr in Fahrt. Der Moderator weiß nicht so recht um seine Rolle, und der Versuch Hentz in seine Schranken zu verweisen, scheitert. Die weitere Teilnehmer des Abends (Antje Petzold, Kulturmanagerin, Holger Kube-Ventura, Kunstwissenschaftler, Bernahrd Balkenhol, Leiter des Kasseler Kunstvereins) sind desorientiert. Wir selbst sind so geschafft, daß wir der Diskussion keine konstruktive Richtung mehr geben können. Bis spät in die Nacht gibt es Streitereien in der Küche über den mißratenen Abend.

Sa.9.11.

Der Ärger über die geplatzte Diskussion vom Vortag sitzt uns noch in den Knochen, aber es bleibt keine Zeit dem nachzuhängen. Die ReferentInnnen treffen nacheinander ein: Annette Tietenberg, gegen 15.00 Uhr, sie bekommt ersteinmal einen Kaffee und eine kleine Führung durch die Ausstellung, die anderen sind schon seit dem Vortag da. Wir müssen uns noch besprechen und ein interessiertes Publikum mischt sich bereits mit den gleichzeitig noch anwesenden Ausstellungsbesuchern.
Mit einer kleinen Verspätung können wir anfangen. Bernhard Balkenhol und Holger Kube Ventura stellen ihr Ausstellungsprojekt 'Surfing Systems' vom letzten Jahr vor, in dem es darum ging, neue künstlerische Strategien im institutionellen Kontext, nämlich dem des Kasseler Kunstvereins vorzustellen.
Danach spricht Annette Tietenberg über 'Integral', ein Ausstellungsprojekt, das sie 1993 zusammen mit Melitta Kliege in Berlin organisiert hatte. Selbstkritisch geht sie der Frage nach, inwieweit der Anspruch, künstlerische Arbeitsprozeße in den öffentlichen Raum zu überführen, durch das Ausstellungskonzept, aber auch durch die KünstlerInnen selbst eingelöst werden konnte.
Eingeleitet durch ein Video zum Thema "Ausschlußmechanismen durch Architektur" berichten Annette Weisser
und Uwe Hofmann über das Konzept der Gruppe "FrischmacherInnen".
Die "Frischmacherinnen" definieren sich nicht über den Kunstkontext, sondern versammeln unter ihrem Label engagierte KulturarbeiterInnen unterschiedlichster Disziplinen, die sich bei gegebenem Anlaß zu Projekten zusammentun.
In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum interessiert vor allem die Frage, inwieweit die vorgestellten Konzeptionen bereits als "historisch" anzusehen sind, oder ob sie noch immer ein Potential besitzen, das unter anderen Vorzeichen für aktuelle Projekte durchaus fruchtbar wäre.


So., 10.11

Allmählich wird alles ein bißchen gelassener. Heute sprechen 3 ReferentInnen aus ihrer jeweiligen Sicht zu den ökonomischen Bedingungen kultureller Praxis.
Annette Brinkmann, Mitarbeiterin des Zentrums für Kulturforschung in Bonn berichtet von ihrer Forschungsarbeit über Frauen im Kultur- und Medienbetrieb, sie legt Daten und Fakten vor.
Antje Paetzold, Künstlerin und Kulturmanagerin, trägt ihre Selbstdarstellung als Existenzgründerin vor. Lebenslauf, Zielsetzung ihres Unternehmens, Kooperationen und Partner. Die Vorstellung hat Performance - Charakter, ein paar "gute Bekannte" verlassen entrüstet den Raum, alle anderen bleiben, zwischen Zustimmung und Amusement, gespannt sitzen.
Letzter Referent des Abends ist Conrad Bölicke-Steffens. Er ist freier Unternehmer und Geschäftsführer der Projektwerkstatt "Teekampagne" in Berlin.
Die "Teekampagne" war ursprünglich ein Experiment von Wirtschaftspädagogen der TU Berlin, in dem es darum ging, soziale und ökologische Zielsetzungen mit einem funktionierenden ökonomischen Konzept zu verbinden, das auf einer umfassenden Analyse des Marktes beruht.
(Die Projektwerkstatt verkauft seit etwa 10 Jahren ökologisch und unter sozialverträglichen Bedingungen angebauten First Flush Darjeeling Tee, also einen der besten Tees überhaupt, zu einem unverschämt günstigen Preis (35 DM per Kilo). Das geht zum einen, indem sie der Profitmaximierung widerspricht und nur soviel erwirtschaftet, wie der Betrieb zu leben braucht, aber vorallem dadurch, daß sie die Zwischenhändler ausschaltet und sich für eine größtmögliche Transparenz und Verbraucheraufklärung einsetzt.)
In der anschließenden Diskussion, in der die Frage "wie eine Teekampagne in der Kunst aussehen könnte" im Vordergrund steht, springt etwas von dem, was auch uns daran begeistert hatte, aufs Publikum über - das an diesem Tag übrigens anders ist, als an den Tagen zuvor. Abgesehen davon, daß ca 80% Frauen anwesend sind, merkt man, daß die meisten mit sehr konkreten persönlichen Interessen gekommen sind.
Auch Mike Hentz, der jetzt schon seit drei Tagen unser Gast ist, gibt sich redlich Mühe, etwas von seiner Erfahrung miteinzubringen. Die Leute reden sehr frei und engagiert miteinander, und es entsteht, zum erstenmal an diesem Wochenende, etwas von der Arbeitsatmosphäre, die wir uns gewünscht haben.

Abschied /Party

Heute geht es um viel ! Wir haben uns nicht nur vorgenommen, den Abschied von "housing" angemessen zu feiern, sondern auch mit der Party die annähernd leere Kasse wieder aufzufüllen. Ausnahmsweise veranschlagen wir 5 DM Eintritt. In einer mehrstündigen Einkaufs - und Bierkästenschleppaktion wird nicht nur das letzte Geld sondern auch annähernd die letzte Muskelkraft verbraucht. Trotzdem sind alle guter Dinge - weil nun das Ende einer Streßphase, und mit ihm das eigene Bett und die Dusche in Sicht ist.
Eine Band die elektronische Jazzmusik macht, hat bei "housing" ihren Debütauftritt. Die Musik, die für viele soetwas wie ein "experimentelles Ärgernis" ist, ist für andere "erste Sahne".
Aber an diesem Abend ist für Abwechslung gesorgt: drei DJ`s, die nicht nur verschiedene Musikrichtungen vertreten, sondern auch untereinander Verständigungsschwierigkeiten haben, geben ihr Bestes.
An der Cocktailbar entbrennt ein Streit über die Vorzüge von Popmusik versus elektronischer Techno Ambiente Musik. Dieser wird aber von den zahlreichen Gästen übertönt. Mehrmals muß für Nachschub der Spirituosen gesorgt werden. Tim hinter der Cocktailbar hat seinen kreativen Höhepunkt erreicht und mixt mehr "Revolutionscocktails" als jemals zuvor.
In der Morgendämmerung wird noch schnell ein Kassensturz gemacht und wir stellen zufrieden fest, daß sich der Abend voll und ganz gelohnt hat.

Am Ende - Kritik

Wir hatten es unterschätzt, was es bedeuten würde, "housing" am laufen zu halten - und vielleicht hatten wir auch unsere eigenen Käfte überschätzt.
Da wir vier Monate, bevor "housing" eröffnet wurde, schon rund um die Uhr am Projekt gearbeitet hatten, waren wir zeitweise während des Programms so erschöpft, daß einige von uns das Gefühl hatten, neben sich zu stehen - bzw. sich nicht mehr in der Lage fühlten, sich aktiv an den Diskussionen zu beteiligen.
Ein anderer Aspekt, der bei allen zur Mißstimmung beitrug, war, daß die tägliche Arbeitsgruppe - die "house-arbeit", die wir für die inhaltliche Vorbereitung der Diskussionsveranstaltungen vorgesehen hatten, zwar ihrem Namen (im wörtlichen Sinne) alle Ehre machte, aber ihr ursprüngliches Ziel völlig verfehlte.
Geplant war ursprünglich auch, die Zwischenergebnisse und Statements, der an den Diskussionen und Projektvorstellungen Beteiligten zu dokumentieren, um sie neuen Besuchern zugänglich zu machen - aber daran war garnicht mehr zu denken.
Der "housingclub", der fast täglich bis 3-4 Uhr morgens geöffnet war tat sein Übriges: er sorgte nicht nur für viel Spaß sondern auch für Lärm, ZigarrettenQualm und Schlafentzug. - Und das war verheerend...
Zum Teil führten aber auch ungenaue Absprachen, besonders mit unseren freiwilligen HelferInnen, (von denen wir mindestens 3 x soviel gebraucht hätten) sowie eine teilweise extreme Programmdichte zu unnötigen Engpässen.
Letztendlich hätten wir auch im Vorfeld der Veranstaltung noch 2/3 Monate mehr für die Ausarbeitung des Programms sowie für die individuellen Diplomarbeiten gebrauchen können.
Nichts desto trotz - nachdem sich der eigene Frust und auch die Kritik von Leuten aus unserem Umfeld über all das, was daneben ging, gelegt hatte, wollten wir die Praxiserfahrung, die man als Veranstalter macht, nicht missen.

Projekt Auswertung, Moderationswochenende

Wahrscheinlich ist das etwas was jeder kennt - nach einer Zeit, in der man sehr intensiv an einer Sache gearbeitet hat fällt man erstmal in ein Loch, in dem dann jeder für sich, "im Privaten", seine Abrechnung macht, was zwangsläufig sehr subjektiv ausfällt.
Am letzten Tag von "housing" hatten wir ein sehr langes und gutes Gespräch mit Conrad Bölicke-Steffens, von der Teekampagne, der uns von seinen Erfahrungen in gemeinsamen Projekten erzählt hat, und der uns geraten hat, ein ModerationsWochenende zu machen, und dazu Leute einzuladen, von denen wir erwarten konnten, daß sie uns zu "housing" etwas sagen könnten, und auf diese Weise, zusammen mit einem externen Moderator, eine umfassende und professionelle Auswertung unseres Projektes zu machen.
Für uns war das ein Experiment, auf daß wir uns gerne eingelassen haben, (wahrscheinlich auch weil wir Conrad schon ein bißchen kennengelernt hatten und er sehr viel bei uns eingebracht hatte). Bei einigen Leuten, die wir dazu einladen wollten überwogen aber auch die Vorbehalte vor einer solchen Moderation.
Zum einen gab es da ein Unbehagen darüber, Vorgehensweisen, die sich in der Wirtschaft etabliert haben, als KünsterInnen zu adaptieren - also nachzuexerzieren, was überall sonst, schon lange als effektivitätssteigernd gilt.
Und zum anderen wahrscheinlich auch die Angst, in die Nähe von Selbsterfahrung zu rücken. - Viele halten es zwar für politisch richtig und notwendig sich zusammenzutun, möchten aber mit der Gruppendynamik, die unbestreitbar einen großen Anteil am Gelingen oder Scheitern von kollektiven Prozeße hat, nichts zu tun haben, weil der Begriff, jetzt, Mitte der neunziger Jahre, alles andere als Sexappeal hat.
Am Ende waren wir insgesamt 11 Leute, die an diesem Moderationswochende teilgenommen haben.
Der Moderator, den uns Conrad vorgeschlagen hatte, war ehemals Berater der Hans-Seidel-Stifung der CSU, hatte lange Zeit an Entwicklungshilfe Projekten in Südamerika gearbeitet, hat diese Laufbahn abgebrochen und arbeitet jetzt als freier Unternehmensberater für Nonprofit-Unternehmen und ist unter anderem Berater der Grünen.
Die Moderationstechnik ist dazu da, Sachverhalte zu objektivieren und herauszuarbeiten, die sonst im Prozeß von "sich-zurückziehen" oder "andere-überzeugen-wollen", also all dem, was Gruppenprozesse so ausmacht, stecken bleiben. Die zwei Tage wurden von allen Teilnehmern als sehr effektiv empfunden. Die Spielregeln der Moderation haben dazu geführt, daß alle sich gleichermaßen eingebracht haben und sich dementsprechend, am Ende auch gleichberechtigt im Ergebnis der Auswertung repräsentiert gesehen haben.
Wichtig war vor allem, daß durch die Moderation, der Abstand zum Projekt gewährleistet wurde, der es möglich gemacht hat, negative wie positive Kritik gleichviel Aufmerksamkeit zu widmen.
Das war auch der Punkt, an dem wir gemerkt haben, daß wir trotz all dem, was was uns nicht gelungen war zu realisieren, 'ne Menge Praxiserfahrung gemacht haben, die was wert ist : - Was das Zeitmanagement betrifft, - was die Zusammenarbeit betrifft - zu wissen was man voneinander erwarten kann, wo die Grenzen der einzelnen liegen, wir haben gelernt als Team zusammenzuarbeiten.
Zum anderen wurde nochmal klar, daß "housing" in einigen Punkten sehr gut funktioniert hatte,
- es gab z.B. einen weit intensiveren Austausch über die Arbeit, einen direkteren Kontakt mit dem Publikum, weil wir einfach präsent waren.
- es gab eine Durchmischung des Publikums, und das war uns sehr wichtig gewesen, weil uns klar war, daß wir nicht nur für die eigene Kaste arbeiten wollen.
- "housing" wurde als sozialer Ort dankbar angenommen wurde. Es gab 'ne Menge Leute, die das schade fanden, daß unser Laden nach zwei Wochen vorbei war.
- wir haben Kontakte geknüpft, Leute kennengelernt, mit denen wir einen Ausstausch beginnen wollen, wie z.B. zur Fahrradhalle in Frankfurt, die bereits seit zwei Jahren an ähnlichen Projekten arbeiten.
- fast alle, die daran teilgenommen haben, haben uns zu verstehen gegeben, daß sie sehr gerne dabei waren, und daß sie Lust haben weiter mit uns zusammenzuarbeiten.

Die Erfahrungen mit der Moderation haben schließlich Lust darauf gemacht diese Technik auch für unsere Projekte einzusetzen. Beispielsweise das alte Dilemma von Vortrag und anschließender Diskussion, in der einige wenige mit vorgefaßten Statements den Diskurs bestimmen und andere sich lieber gleich zurückziehen und in denen eben deshalb, kein hierarchieloser Diskurs stattfindet, nochmal neu anzugehen. (Arbeitsgruppen bilden, Spielregeln einführen usw.)

Am Ende der zwei Tage stand schließlich die Frage im Raum, ob sich ein Event wie "housing", in seiner Prozeßhaftigkeit auch als Produkt definieren läßt, das in eine ökonomische Realität überführt werden kann. Also, kann man etwas wie "housing" verkaufen und wer wären die InteressentInnen dafür ?
Die Ironie liegt darin, daß wir feststellen mußten, daß gerade die Komponente kollektiven Arbeitens, das prozeßhafte, also das, was die meisten Schwierigkeiten innerhalb des etablierten Kunstbetriebs aufwirft, von Seiten der Wirtschaft, der Unternehmer, mit großem Interesse aufgenommen wird. Wie, unter welchen Bedingungen und in welchen Zusammenhängen das funktionieren könnte, werden nicht nur wir in nächster Zeit diskutieren müssen.

Wie geht es weiter nach "housing" ?

"housing", wie es nun einmal abgelaufen ist, hatte den Charakter eines 14-tägigen Meetings. Eine Möglichkeit wäre es gewesen, es einfach dabei zu belassen oder eine ähnliche Veranstaltung für das nächste Jahr zu planen, was natürlich eine Option bleibt. Nach einer kurzen Besinnungspause ist uns allen klar geworden, daß wir einen dauerhaften sozialen Ort, also eine Art PublicOffice: Bar, Ausstellungsraum, Medienkompetenzvermittlungs-, ProjektplanungsBüro, Produktionsräume etc., für eine kontinuierliche Zusammenarbeit und Weiterentwicklung unserer Ideen schaffen möchten.
Zur Zeit arbeiten wir an einem Konzept, daß sich mit seinem konkreten Aussehen und seiner langfristigen Finanzierbarkeit beschäftigt. Die Frage danach, ob in Düsseldorf oder Köln, können wir im Moment noch nicht beantworten.

Wir, das sind zur Zeit im Kern 5 Leute: Mathias Antlfinger, Ute Hörner, Gudrun Teich, Judith Ruzicka und Petr Zubek, die verbindlich vor Ort an der Realisierung arbeiten, dann, ein erweiterter Kreis von Leuten -Michaela Schweiger aus Berlin, Monika Linhard, Alexander Zaluwskowski und Antje Paetzold aus Frankfurt, Conrad Boelicke-Steffens aus Wilstedt bzw. Berlin- mit denen wir in Kontakt stehen, die bei aktuellen Anlässen auch mit uns zusammenarbeiten, uns beraten oder in ähnlichen Projekten arbeiten.
Wir müßten auch noch einige andere nennen, die wir dazuzählen, da wir aber in eine neue Phase gehen, möchten wir uns auf diejenigen beschränken, die mit uns an der Auswertung des zurückliegenden Projektes gearbeitet haben.

Wie soll der Ort beschaffen sein ?

Was die kontinuierliche Praxis betrifft, ist zu sagen, daß sich vieles von dem, was wir anvisiert und diskutiert haben in einigen Punkten mit dem Konzept von Kombirama übereinstimmt., wie z.B. die Einrichtung eines Internet-Servers, oder Programmpunkte wie die Durchführung von Lectures zu Entwicklungen in der zeitgenössischen Kunst oder den ganzen Bereich des Socializing nennen.
Wir sind sehr gespannt bei ihrem Vortrag genaueres darüber zu erfahren. längerfristig auch essentiell ist für die Glaubhaftigkeit der eigenen Ansprüche, sowie das tatsächliche Leben ohne den Kunstbetrieb (nicht ohne Kunst), ist eine Öffnung zu einem Publikum hin, dem der Zugang zu neuen Medien, moderner Telekommunikationstechnik, der chicken Welt der Paintprogramme, sowie der Zugang zu zeitgenössischer Kunst ersteinmal verwehrt ist (wir reden jetzt als Künstler, die sich mit Medien beschäftigen). (Z.B. möchten wir einen Teil unseres Servers der Öffentlichkeit vor Ort zur Einrichtung und gemeinsamen Erarbeitung eigener Homepages zur Verfügung stellen. )
Erst kürzlich haben wir einen Bericht über eine Stadt in den U.S.A. im Silicon Valley gesehen, wo die höchsten Umsätze in der Computerindustrie erwirtschaftet werden, und an deren Peripherie Menschen leben, die von den Segnungen dieser neuen Technologien nichts abbekommen, die sie sich noch nicht mal einen Computer leisten können. Schließlich hat sich dort eine Gruppe technikinteressierter Bürger zusammengeschlossen, einen Laden angemietet und sich ein paar Computer von den Firmen drumherum besorgt. Unter der Anleitung engagierter Computerfreaks konnten interessierte Erwachsene, Jugendliche und Kinder die ersten Gehversuche auf den PCs starten. Das Projekt wurde schließlich von der Stadt gefördert.
Daneben, daß sich die Leute mittlerweile gegenseitig in den Computer- und Internet-Basics unterrichten, hat sich dieser Laden zu einem sozialen Treffpunkt entwickelt, und aus manchen Anfängerkursen sind Projekte, wie z.B. ein mit Jugendlichen zusammen entwickeltes Web_Zine entstanden.
"Wow", dachten wir, das finden wir gut, das könnte auch einer unserer Ansatzpunkte sein. Andererseits sind wir von unserer Ausbildung her gesehen keine technikvernarrten Sozialarbeiter, sondern Künstler, die alle ihre Ausbildung an einer Akademie oder Kunsthochschule durchgemacht haben, und deren Selbstverständnis zu einem guten Teil dadurch geprägt wurde.
Wir möchten also weiterhin bildnerisch tätig sein, auch individuell. Dafür muß es eingebaute Freiräume, aber auch Support von den anderen geben.
(Idee: Gemeinsamer Bewerbungstopf, alle haben dann ein Interesse an allen Arbeiten der anderen und möchten, daß die Arbeit gut wird; im Sinne einer konstruktiven Kritik.) Des weiteren gibt es auch Überlegungen tatsächlich eine gemeinsame Arbeit zu entwickeln, z.B in Form gemeinsamer Film/Video/CD/Rom-Produktionen oder einer Plakatkampagne im öffentlichen Raum.

Daran schließt sich die Idee eines projektbezogenen Arbeitens mit z.B vom Arbeitsamt finanzierten Umschulungen im Medienbereich an. Das brächte unsere Sache voran und würde einer kleinen Gruppe von Schülern mehr vermitteln, als nur den technischen Umgang mit den Maschinen. Das ist ein didaktischer Ansatz, vor dem wir uns alle nicht scheuen, da wir zum Teil schon vorher bei unseren diversen Jobs die entsprechenden Kompetenzen unter Beweis stellen mußten. (Gudrun hat z.B. hat in Kursen Erwachsenen beigebracht, wie man tatsächlich mit der Videokamera eigene Bilder machen kann, ohne nach der ersten Begeisterung, die Kamera frustriert in einer Schublade zu entsorgen.)

Es gäbe zu viele Detaillüberlegungen, um sie alle hier zu erörten und vieles sind ersteinmal Ideen. Ein Projekt wie "housing" ist mit einigen schlaflosen Nächten und Nervenkrisen verbunden, setzt aber auch ungeheure Energien frei ( Euphorie eines temporären selbstgeschaffenen Ausnahmezustandes).
"Und wenn es denn mal schief geht, verbuch es einfach unter "wertvolle Erfahrung". Nach den Erfahrungen, die wir bei "housing" gemacht haben, und das liegt jetzt gerade mal 2 Monate zurück, können wir es nur empfehlen.